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Auf den Spuren des Bestatters

Im Rahmen einer Reportage wollte ich den Beruf des Bestatters der Bevölkerung näher bringen. Ich begleitete zwei örtliche Bestatter und besuchte das Bestattungsamt, wo die administrative Arbeit und die Gespräche mit den Angehörigen stattfinden. Einen Einblick in diesen Beruf zu erhalten war für mich sehr spannend und wertvoll. Die gesamte Reportage kannst du hier lesen.

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Die letzte Ehre erweisen

Manuel Weggiser hat einen ganz besonderen Beruf: Er arbeitet mit verstorbenen Menschen. Dazu gehören die Abholung eines Verstorbenen, die Einsargung, das Trauergespräch sowie die Beerdigung. Ich haben ihn begleitet und einen tiefen Einblick in ein Berufsfeld erhalten, das sonst im Verborgenen stattfindet.

 

Es ist Mittwoch, 16 Uhr. Bestatter Manuel Weggiser lenkt den hellgrauen Lieferwagen zum vierten Mal auf die Hauptstrasse. «Wo ist denn bloss diese Adresse?» Nebel steigt vom Boden auf, die Sicht ist eingedämmt. Temperaturmässig ist der Herbst bereits eingetroffen. Leon Brunner öffnet das Handschuhfach und greift nach dem Stadtplan. Nach einer zwanzigminütigen Suche fährt der Lieferwagen schliesslich vor einem alten Bauernhof vor. Direkt vor dem Eingang hält Weggiser den Wagen an und zieht den Schlüssel aus der Zündung. Eine Angehörige steht bereits auf dem Vorplatz. Die Augen glasig, der Blick leer. Die braunhaarige Frau begrüsst die Bestatter, ohne eine Miene zu verziehen und zeigt in Richtung Holztreppe. «Da oben.» Die beiden Bestatter steigen die knarrende Treppe hoch und betreten das Wohnzimmer. Ein grosses Bett steht mitten im Raum, darauf ruht ein verstorbener Mann. Sein Mund ist offen, das Gesicht eingefallen. Beide Hände sind auf dem Bauch zusammengefaltet und umklammern frische Frühlingsblumen.

Leon Brunner und Manuel Weggiser werfen einen Blick auf den Verstorbenen, kehren dann zum Wagen zurück, um die Trage zu holen. Diese legen sie neben das Bett. Vorsichtig wird der Verstorbene darauf gelegt. Während Brunner den Reisverschluss des Leichensacks zuzieht und den Verstorbenen dadurch verschwinden lässt, wendet sich Weggiser an einen weiteren Angehörigen. «Den Totenschein müssen Sie bei der Gemeinde abgeben.» Der Angehörige nickt auf den Boden starrend und schenkt dem Bestatter keinen Blick.

«Nochmals herzliches Beileid und alles Gute für Sie», verabschiedet sich Weggiser von den Angehörigen. Dabei blickt er ihnen tief in die Augen und drückt ihre Hände fest zu. Die beiden Bestatter öffnen den Kofferraum und schieben die Trage hinein. Weggiser startet den Motor und lenkt den Mercedes langsam von der staubigen Landstrasse weg in Richtung Hauptstrasse. Die Hinterbliebenen blieben noch eine Weile auf dem Vorplatz stehen, zumindest so lange, bis der Wagen um die Ecke biegt und aus ihren Blickfeldern verschwindet.

Der Mann wurde über 90 Jahre alt und verstarb an diesem Tag im Kreise seiner Familie, bei sich zu Hause. «Ein schöner Tod», so Weggiser. «Den Schönsten, den man sich wünschen kann.» Sie beide hätten auch schon viel schlimmere Fälle erlebt. «Ein verstorbenes Kind abzuholen, geht stark an die Nieren. Vor allem, wenn man selber welche hat. Oder natürlich Unfall- und Suizidopfer.» Der Mercedes kommt auf dem Vorplatz des Kreuzberger Zentralfriedhofs zum Stehen. Die beiden Bestatter hieven die Trage aus dem Wagen und schieben sie in das Friedhofsgebäude, wo der Sarg schon bereit steht.  Schlicht, hellbraun, einfach. Es handelt sich um den Standartsarg, welcher vom Kanton gratis zur Verfügung gestellt wird.

 

Kataloge für Särge und Urnen

Einen Tag zuvor auf dem Bestattungsamt. Wer einen verzierten Sarg oder einen aus speziellem Holz möchte, bezahlt beim Bestattungsamt einen Aufpreis. «Das ist eher bei Erdbestattungen der Fall, was jedoch nur 5 bis 10 Prozent aller Bestattungen ausmachen.» Amélie Forrer vom Bestattungsamt Kreuzberg klappt den Katalog mit den Sargmodellen zu. Vor 20 Jahren habe die Anzahl der Erdbestattungen noch einen guten Viertel betragen. Die meisten davon seien Personen mit islamischem Glauben. Einen Katalog für schön gestaltete Kupferurnen hat sie ebenfalls zur Hand, falls die Angehörigen die Asche des Verstorbenen behalten möchten. «Wird die Urne auf dem Friedhof vergraben, verwenden wir ökologisch abbaubare Urnen.» Nach 20 Jahren hat sich diese komplett aufgelöst, die Asche ist aber für immer an dem Ort, wo sie vergraben wurde. Ebenfalls nach 20 Jahre wird ein Friedhofsgrab wieder aufgelöst. «Wir warten dann 5 bis 10 Jahre, bis wir den Platz für einen anderen Verstorbenen nutzen», erklärt Amélie Forrer. Auch aus der Asche kann vieles gemacht werden. Forrer erzählt von aufschraubbaren Halskettenanhängern, wo die Asche hineingefüllt werden kann, oder gar von Diamanten, die dank des Co2 Gehaltes in der Asche hergestellt werden können.

 

Vom Gärtner zum Bestatter

Mittwoch, 16.30 Uhr, auf dem Zentralfriedhof. Die beiden Bestatter heben den Deckel des Sarges hoch und legen ihn zu Boden. Ein leicht säuerlicher Geruch steigt einem dabei sofort in die Nase. Der Sarg ist mit weiss glänzendem Stoff ausgelegt. Wegisser klopft das Kissen aus und legt es in den Sarg. Beide ziehen sich Latexhandschuhe über und öffnen den Reisverschluss des Leichensacks. «Hygiene ist in diesem Beruf sehr wichtig.» Gemeinsam heben sie den Verstorbenen in den Sarg. Wegisser zückt eine Bürste und kämmt ganz vorsichtig die schneeweissen Haare des Mannes. Der Deckel kommt wieder darauf und die Bestatter drehen einige Metallschrauben in das Holz. Wegisser öffnet eine Luke im Deckel des Sarges, was den Kopf des Verstorbenen erscheinen lässt. «Ein wenig frische Luft und vor allem kein Gestank.» Die Bestatter schieben den 93-Jährigen in einen Kühlraum, der auf 1 Grad Celsius herunter gekühlt wird. «Ab dem Todeszeitpunkt dürfen wir für 48 Stunden nichts weiter unternehmen. So ist das Gesetz», erklärt Wegisser. Im Kühlraum des Friedhofsgebäudes kann ein lebloser Körper bis zu einer Woche bleiben.

 

Manuel Wegisser lässt sich auf seinen Bürostuhl fallen und zündet sich eine Zigarette an. Der gelernte Maurer ist einer von acht Bestattern in Kreuzberg. Vier davon werden als Haupt- die anderen vier als Nebenbestatter bezeichnet. Doch eigentlich sind sie alle Stadtgärtner. Nur jeweils eine Woche im Monat übernimmt einer der Hauptbestatter die Verantwortung auf dem Friedhof. Er ist dann für alle Arbeiten zuständig, die während dieser Woche anfallen. «Am Freitag beteilige ich mich bei einer Urnenbeisetzung.» Wegisser drückt die Zigarette aus. «Und Todesfälle können ja jederzeit passieren. Dafür muss ich immer bereit und vor allem erreichbar sein.» Wenn es gerade mal ruhig ist, kümmert sich Wegisser um den Friedhofsgarten. Tritt ein Todesfall ein, holt sich der Hauptbestatter die Unterstützung eines Nebenbestatters. Bei diesem Todesfall nahm er Leon Brunner zu Hilfe, der sich nach der Einsargung wieder seine Gärtnerkleidung überstülpte und zurück zur vorherigen Arbeit eilte.

 

«Den Beruf Bestatter kann man nicht lernen», meint Wegisser überzeugt. Klar gebe es Prüfungen, man müsse aber schlussendlich einfach für den Job geboren sein. Jede Situation, jeder Todesfall oder auch jedes Trauergespräch könne ganz anders verlaufen. «Mir gefällt der Beruf enorm.» Wegisser Mundwinkel ziehen sich in die Höhe. «Wir leisten einen unglaublichen Beitrag für die Bevölkerung.»

 

Gestern war alles noch in Ordnung

Eine Woche später, Donnerstag, 10 Uhr. Eine ältere Witwe betritt das Büro des Bestattungsamts. Vor wenigen Stunden fand sie ihren Mann tot im Bett auf. Begleitet wird sie von einem Mann und einer Frau mittleren Alters. Die drei nehmen auf der gegenüberliegenden Seite von Amélie Forrer Platz. Nach den ersten Förmlichkeiten fragt Amélie Forrer die Anwesenden nach speziellen Wünschen für die Beerdigung. Eine Kremation mit einer Urnenbeisetzung soll es sein. Keinen Gottesdienst, was Forrer nicht verwundert. Denn die Anzahl an kirchlichen Abdankungsfeiern nimmt tendenziell stark ab. Die Angehörigen entscheiden sich ausserdem für eine Plakette an der Urnenwand auf dem Zentralfriedhof. Einen Ort, wo man hingehen könne, sei für alle Beteiligten wichtig. Die Witwe wirkt sehr tapfer, Anzeichen von Trauer sind anfänglich nicht spürbar. Amélie Forrer weiss, dass der Schock bei allen noch sehr tief sitzen muss. Die Trauer komme dann erst ein wenig später.

«Gestern war noch alles in Ordnung, und heute fand ich ihn tot auf.» Die Witwe richtet ihre Brille und atmet tief durch. «Dadurch blieb ihm aber sicherlich einiges erspart», entgegnet Amélie Forrer. Beim Führen von Trauergesprächen gehört die Aufmunterung der Angehörigen dazu. «Keine 0815 Sätze, sondern ernste Worte aus dem Herzen müssen es sein. Sonst nimmt mich niemand ernst.»

Da der Mann so plötzlich und unerwartet aus dem Leben schritt, entschieden sich die Angehörigen ausserdem für eine Aufbahrung. Dafür werden sie noch Kleider des Verstorbenen vorbeibringen. Die Bestatter werden ihm die Kleider dann anziehen und ihn herrichten. Während ein paar Tagen befindet sich der Verstorbene dann im Aufbahrungsraum des Zentralfriedhofs. Die Angehörigen erhalten einen Schlüssel, damit sie ihn jederzeit besuchen und sich von ihm verabschieden können.

Nach dem Gespräch leitet Amélie Forrer alles in die Wege. Der zuständige Pfarrer muss über die Urnenbeisetzung informiert werden, die Bestatter über die Aufbahrung. Alles Material muss organisiert werden. Eine amtliche Todesanzeige wird in der Zeitung geschalten. Neben der abschliessenden Rechnung verfasst sie administrative Formulare und legt ein Dossier über den Verstorbenen an. Sie kümmert sich um alles. Das Einzige, worum sich die Angehörigen noch kümmern müssen, sind Blumen für die Beisetzung.

Obwohl Amélie Forrer ständig mit trauernden und leidenden Menschen zu tun hat, liebt sie ihren Beruf. «Ärzte und Pflegefachpersonen haben es viel schwieriger. Die könnten noch Leben retten – wir nicht. Wir erweisen den verstorbenen Menschen eine letzte Ehre und können den Angehörigen etwas Gutes tun.»

 

Eine Woche später, Freitag, 11 Uhr, auf dem Zentralfriedhof. Um die 90 Menschen haben sich an diesem sonnigen Frühlingstag vor dem Zentralfriedhof versammelt. Sie alle wollen Abschied nehmen. Etwa ein Duzend rosa leuchtender Magnolienbäume verleihen der Gruppe schwarz gekleideter Menschen einen fröhlichen Anblick. Um Punkt 11 Uhr läuten die Kirchenglocken und die Trauernden betreten unter schönen Klavierklängen den Abdankungssaal. Der Bestatter holt für jeden noch stehenden Gast einen Stuhl.

Die berührende Zeremonie beginnt mit einem Zitat aus der Bibel «Es gibt Zeit zum Leben, es gibt Zeit zum Sterben.» Die Familie des Verstorbenen sitzt in der vordersten Reihe. Der Schwimmclub widmete seinem verstorbenen Präsidenten einen prächtigen Blumenkranz, der direkt neben der Urne steht. Die Angehörigen sagen berührende Worte und zeigen Bilder aus dem Leben des Verstorbenen. Taschentücher werden aus den Jackentaschen geholt. Traurige, gesenkte Blicke prägen das Bild der Anwesenden.

«Alle sind nun herzlich eingeladen, mit auf den Friedhof zur Urnenbeisetzung zu kommen». Nach diesen Worten des Pfarrers öffnet sich die Hintertür und der Bestatter betritt den Raum. Er nimmt die Urne in seine Hände und schreitet mit dem Pfarrer an der Seite auf den Friedhof, Richtung Urnenwand. Der Bestatter stellt die Urne auf einen Sockel, der mit einem weinroten Tuch umschleiert ist. Vor die Urnenplakette wurde bereits ein tiefes Loch gegraben, ein Behälter mit Erde steht daneben. Zeichnungen, Fotos und viele farbige Rosen zieren das Grab. «Nun geben wir der Erde zurück, was der Erde gehört.» Mit diesem Stichwort des Pfarrers nimmt der Bestatter die Urne, zieht ein dünnes Seil aus ihr heraus und lässt sie daran in das Loch hinunter.

 

Die Angehörigen werden dazu aufgefordert, Erde oder eine Blume in das Grab zu legen. Der Bestatter nimmt einen Strauss Rosen in die Hände und stellt sich neben das Grab. Die Witwe kommt als erste zu ihm nach vorne. Die Fassung von der vorherigen Woche hat sie nun ganz verloren. Zitternd greift sie nach der Rose, die ihr vom Bestatter überreicht wird und legt sie behutsam ins Grab. Danach greift sie zur Handschaufel und gibt eine kleine Menge Erde in das Grab.

Nach und nach kommen die Angehörigen einzeln nach vorne, jedem übergibt der Bestatter eine Rose. Die Tränen fliessen, die Trauer des letzten Abschieds sitzt tief. Nach und nach verlassen die Trauernden den Friedhof. Am Ende bleibt nur noch der Bestatter übrig. Das grosse Loch füllt er nun noch vollständig mit Erde. Die letzte Ehre wurde dem Verstorbenen damit erwiesen.